Experimente als alternative Entscheidungslogik im Unternehmen

InnovationsRadar
4 min readDec 3, 2022

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Photo by Alex Kondratiev on Unsplash

Experimente sind der Kern eines modernen Management- und Innovationsprozesses. Sie sind viel verbreiteter, als man denkt. Vom Rad bis zum Penicillin, vom Flugzeug bis zum iPhone, immer wieder werden Experimente genutzt, um Ideen zu verfeinern und Produkte oder Dienstleistungen zu optimieren.

Was ist aber nun eine Business Experiment, wie unterscheidet es sich von seinem naturwissenschaftlichen Pendent und was hat es damit gemein?

Im Wesentlichen nutzt ein Business Experiment Forschungsinstrumente und -techniken, um Annahmen (oder Hypothesen) zu testen und zu validieren. Es ist damit ein grundlegendes Werkzeug um agilen Innovationsprozess.

Weitere Informationen zum agilen Innovationsmanagement finden Sie u.a. im folgenden Artikel des Innovationsradars:

https://innovationsradar.medium.com/neue-wege-im-innovationsmanagement-von-der-linearen-zur-agilen-innovation-93db0c8ec492

Einen besonders wertvollen Beitrag in der Diskussion um die Nutzung von Experimenten im Geschäftsumfeld leistet Thomas Davenport. In seinem Artikel in der Harvard Business Review stellt er fest, dass der Prozess des Experimentierens immer mit einem gemeinsamen Verständnis dessen beginnen sollte, was einen gültigen Test ausmacht. Zu viele Geschäftsinnovationen werden auf gut Glück gestartet — obwohl man heute wirklich valide Tests erwarten kann.

Der Kern: eine überprüfbare Hypothese

Wie Davenport zu Recht betont, muss das Experiment mit der Entwicklung einer prüfbaren Hypothese beginnen . Die Hypothese könnte zum Beispiel lauten:

“Die Einführung eines neuen Schulungsprogramms für den Kundenservice wird die Kundenzufriedenheit und die Gewinnspannen erhöhen”.

In vielen Unternehmen wäre das eine plausible Annahme und könnte andere “Hypothesen”, die beispielsweise in einer HR-Strategie, einer Strategy Map oder gar in einem Balanced Scorecard eingebettet sind, stützen. Ob sie wahr ist oder nicht, weiß man jedoch oft erst nachdem die Maßnahme umgesetzt ist— ein Test scheint hier deshalb angebracht.

Entwurf des Experiments

Wenn die Hypothese feststeht, besteht der nächste Schritt darin, den Test selbst zu konzipieren, d. h. das Experiment zu planen. Das bedeutet, die zu testenden Standorte oder Einheiten zu bestimmen, die Experimental- und Kontrollgruppen auszuwählen (manchmal als A/B-Test bezeichnet) und die Test- und Kontrollsituationen zu definieren. In Bezug auf das Beispiel der Kundendienstschulung sollten nicht alle Mitarbeiter auf einmal geschult werden, sondern nur einige (die Experimentalgruppe) und andere nicht (die Kontrollgruppe, die zeigt welche Ergebnisse erreicht werden, wenn nichts unternommen wird).

Datenanalyse und Maßnahmen

Nach Abschluss des Experiments werden Daten und Ergebnisse analysiert und geeignete Maßnahmen abgeleitet. Bei der Kundenschulung liegt der Schwerpunkt auf dem Unterschied zwischen der Leistung der Experimental- und der Kontrollgruppe; ist das, was wir erwartet haben (d.h. eine Steigerung der Kundenzufriedenheit und der Gewinnspanne), in den Experimentalgruppen tatsächlich eingetreten? Was war eine Überraschung und was bedeutet das für die Einführung einer umfassenderen Kundendienstschulung oder für die Notwendigkeit, andere Geschäftsprozesse oder Teilprozesse zu verbessern, oder vielleicht für die Notwendigkeit weiterer, ergänzender Experimente durchzuführen.

Fallbeispiel: CKE

Schauen wir uns ein Beispiel an. Es stammt von dem in den USA ansässigen Unternehmen CKE Restaurants, zu dem große Marken wie die Schnellrestaurantketten Hardee’s und Carl’s Jr. gehören. Das Unternehmen wendet Business Experiment bei der Einführung neuer Produkte an.

Die Produktentwicklung bei CKE beginnen mit einem Brainstorming, bei dem mehrere funktionsübergreifende Gruppen eine Vielzahl neuer Produktideen entwickeln. Diese Ideen werden dann, in einem ersten Schritt, von einer Gruppe von Mitarbeitern aus den Bereichen Marketing, Produktentwicklung und Betrieb auf der Grundlage von Erfahrung und Intuition bewertet.

Die Ideen, die sich durchsetzen, werden umgesetzt und in den Restaurants experimentell getestet, mit genau definierten Maßnahmen, und sorgfältig ausgewählten Experimental- und Kontrollgruppen. Ist das Experiment erfolgreich entscheiden die Führungskräfte, ob ein Produkt systemweit eingeführt, für einen erneuten Test modifiziert oder die gesamte Idee verworfen werden soll.

CKE hat bei der Einführung neuer Produkte eine beeindruckende Erfolgsquote erreicht — etwa eines von vier neuen Produkten ist erfolgreich, im Vergleich zu einem von 50 oder 60 bei Konsumgütern — und die Führungskräfte sagen, dass ihr strenger Testprozess einer der Gründe dafür ist.

Fallbeispiel: Uber

Auch Uber setzt in der Unternehmensführung verstärkt auf einen agilen Innovationsprozess. Proaktives Forecasting und Experimente in Echtzeit ersetzen reaktiv-analytische Planungsmodelle und beschleunigen den Entscheidungsprozess.

Im Jahr 2018 hatte das Ridesharing- Unternehmen seine geographische Expansion abgeschlossen. Um weiter zu wachsen musste es neue Geschäftsmodelle entwickeln und mit neuen Produkten, neue Märkte erschließen. In diesem Kontext entwickelte das Unternehmen eine Idee Namens “Express Pool”. Bei dieser Form des Ridesharing können Reisende Geld sparen, wenn Sie bereit sind, länger zu warten, zu einem Abholpunkt zu laufen und ihre Fahrt zu teilen

Statt ein reaktiv-analytisches Planungsmodell zu verwenden, entschied sich Uber für Experimente in der realen Welt und Echtzeit-Prognosen, um diese neue Strategieoption zu bewerten und umzusetzen. Anstatt lange in Strategiegesprächen zu verharren, setzte Uber den “Express Pool” in einem kleinen Testmarkt (Boston) um. Die dort gewonnen Erkenntnisse und Daten nutzt es dann, um über das Potential der Idee und deren Weiterentwicklung zu entscheiden.

Stichworte

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Hinweis zur Praxisrelevanz

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen