VR/AR im Gesundheitswesen — Eine Chance für die Psyche

InnovationsRadar
3 min readOct 18, 2020

TEXT: Dr. Michael W. Preikschas

Wissenschaftler haben Virtual Reality (VR) Systeme bereits seit den 1990er Jahren eingesetzt, um bestimmte Umgebungen oder Situationen zu simulieren. Über den Einsatz eines Flug- oder Zugsimulators hinaus, sind die virtuellen Welten in der Lage Psychologen und Neurowissenschaftlern Einblick in die kognitiven und emotionalen Reaktionen von Menschen zu geben. Dies ist besonders wichtig, wenn es sich um Situationen handelt, die in der wirklichen Welt nur schwer zu kontrollieren sind. So wird in der University of Southern California (ict.usc.edu) seit 2005 eine Anwendung zur Behandlung von Soldaten genutzt, die aus den Kriegsgebieten zurückkehren. Über die virtuellen Welten werden Krisensituationen simuliert, um posttraumatische Stress-Störungen zu behandeln. Über die Simulation und das „Erleben“ von gefährlichen Ereignissen können psychologische Techniken zur Eindämmung der Stress-Attacken trainiert werden. Heute sind die Technologien weitaus umfangreicher in ihren Fähigkeiten.

Diese Weiterentwicklungen haben mit den sinkenden Kosten der Multi-Sensorik begonnen. Zusätzlich haben die schon durchgeführten klinischen Anwendungen den Erfahrungsschatz an Wissen — meist in der Form von großen Datenmengen — steigen lassen und somit bei der Weiterentwicklung der Technologie geholfen. Erfolgreiche Einsatzbereiche sind unter anderem: Schizophrenie, Depressionen und Phobien (z.B. Flugangst, Arachnophobie oder Klaustrophobie) sowie die Schmerztherapie bei Krebspatienten während der Chemotherapie. Außerdem sind VR Anwendungen positiv bei traumatischen Gehirnverletzungen angewendet worden. Des weiteren werden Erfolge bei der Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Syndromen, Alzheimer und Parkinson beschrieben.

Obwohl diese Anwendungen alle sehr unterschiedlich sind, haben die Forscher grundsätzliche Regeln herausgefunden, die für einen Einsatz mit virtuellen Erfahrungen eingehalten werden sollten: Die Therapeuten müssen generell die Kontrolle über die Durchführung der Behandlungen behalten, damit sie die Stärke des Gefahren-Stimulus justieren können; die Behandlung funktioniert am Besten wenn der Patient über einen Avatar aktiv an der Simulation teilhaben kann; und der Patient braucht die Chance die Situation sofort verlassen zu können, sobald das Gezeigte ihn emotional überwältigt.

Das niederländische Unternehmen reducept (www.reducept.com) hat eine Smartphone App entwickelt, welche Patienten mit einem animierten Avatar als „Anweiser“ durch eine Schmerztherapie leitet. Dabei übernimmt der Avatar komplett die Rolle des realen Psychologen. Nach eigenen Angaben funktioniert die Software gänzlich ohne die Teilnahme eines Arztes und alle Formen von Schmerzen können behandeln werden, da die Anwendung das Gehirn der Nutzer trainiert. Auf diese Weise vermindern 4 von 5 Nutzern ihre Schmerzen. Kann der Patient die erlernten Konzentrationen nach dem Kurs wiederholen, so ist ein Nachahmen ohne VR Brillen-Unterstützung möglich.

Die virtuelle Realität unterstützt also den Nutzer dabei sich selbst zu heilen bzw. zu helfen. Man erlernt Prozeduren — die ähnlich einer Meditation — zu den gewünschten Entspannungen führt. Durch die Integration von didaktischer Unterstützung können Nutzer vor dem Aussteigen aus der Therapie geschützt werden. Motivationslöcher oder zu hohe Schwierigkeitsgrade können früh erkannt und bekämpft werden. Das amerikanische Unternehmen XR-health (www.xr.health) hat sich darauf spezialisiert Patienten nach einer schweren Krankheit, Operation oder Unfall durch virtuelle Trainingskurse, körperlich und mental wieder auf die Beine zu helfen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Patient trainiert in gewohnter Umgebung in seinem eigenen Zuhause, muss keinen Transport zum Spezialisten organisieren und reduziert durch den “Heimtrainer” auch die entstehenden Kosten.

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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