Urbanisierung: Vertical Farming auf engstem Raum

InnovationsRadar
3 min readApr 22, 2019

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TEXT: Dr. Michael W. Preikschas

Fünfzig Prozent aller Menschen dieser Erde leben heute in Städten. Die Forschung schätzt, dass es auch in den kommenden Jahren einen zunehmenden Trend zum Umzug vom Land in die Stadt geben und somit in etwa 30 Jahren drei Viertel der Bevölkerung in Metropolen leben wird (de.statista.com). Besonders in den Kontinenten Asien, Afrika und Südamerika wird dieser Wandel veränderte Lebensbedingungen mit sich bringen. Denn die neuen Städter müssen versorgt werden — was sich vor allem im Zuge zunehmender Naturkatastrophen auf dem Land, auch in die Stadt verlagern wird. Man spricht dabei von einem Trend der Stadt-Resilienz. Das heißt das Leben in der Stadt, oder vielmehr die Stadt selbst, wird sich an die veränderten Voraussetzungen anpassen.

Diese Anpassung wird über verschiedene „Stellschrauben“ vorgenommen. Beispielsweise sind aktuelle Wohnkonzepte nicht mehr auf große Familien ausgerichtet, sondern Stadtplaner entwickeln Lebensräume nun für Kleinfamilien oder Singles. Der Durchschnittsbewohner einer Stadt wird weniger Platz zur Verfügung haben. Des Weiteren werden die Städte der Zukunft smarter, die Wege kürzer und die technischen Hilfsmittel durch das Internet of Things umfangreicher. Letztlich werden Forscher und Stadtarchitekten versuchen, die Natur selbst in die Stadt zu bringen. Moderne Wohnkonzepte zeigen eine Stadt im Einklang mit der Natur. Leben im Grünen, auch mitten in einer Metropole. Damit einher geht das Halten von Nutztieren in der Stadt und das Anbauen von Lebensmitteln. Dem sogenannten Urbanen Farming.

Schon heute wissen wir, dass dies durchaus keine Zukunftsmusik mehr ist. Ein Beispiel dafür ist der Stadthonig, welcher von Stadtbienen produziert bei der Pestizidbelastung viel besser beurteilt wird als sein Wettbewerbsprodukt vom Land. Die Bienen brauchen aber bekanntlich Blütenpollen, und auch der ist im größeren Stil im urbanen Umfeld über den Nahrungsmittelanbau denkbar. Das Zauberwort heißt Vertical Farming, welches ein Konzept zum Anbau von Nahrungsmitteln in mehreren Stockwerken von Hochhäusern zusammenfasst. Die Nutzpflanzen werden dabei, entkoppelt von ihrer natürlichen Umgebung, unter maximal kontrollierten Umgebungsbedingungen angebaut. Der in München ansässige World Food Programm Innovation Accelerator (https://innovation.wfp.org) hat dazu nun ein Projekt durchgeführt, bei dem Gras auf vertikal angeordneten Hydrokulturen wachsen und geerntet werden kann. Das Gras wiederum dient dann dazu Ziegen zu füttern, von deren Milch und Fleisch man auch in sehr dicht besiedelten Gebieten leben kann.

Bei den Architekten von Stefano Boeri geht man einen Weg zum (stefanoboeriarchitetti.net) systematischen begrünen von Innenstädten. Ein Projekt dabei sind die mehrfach ausgezeichneten Wohnhäus in Mailand, welche auch als Vertical Foresting Projekt bezeichnet werden. Das Projekt beinhaltet 800 Bäume, 4.500 Sträucher und 15.000 Pflanzen. Verglichen mit einem horizontalen Projekt entspräche dies einen Fläche von 20.000 Quadratmetern Wald. Auch in China wurden ähnliche Projekte schon umgesetzt (Nanjing Green Towers etc.). Für die Chinesen geht Stefano Boeri noch weiter und plant eine Stadt, die sich vollkommen in die Natur einbettet (ForestCityShijiazhuang©). Dies soll der Prototyp einer neuen Generation von kleinen, kompakten und grünen Städten werden. Ziel ist ein eigenes Ökosystem für etwa 100.000 Einwohner. Dabei werden die Städter nicht in einer grünen Horizontalen platziert, sondern auf kompaktem Grund in die grüne Höhe.

Das Münchener Start-up agrilution (agrilution.de) geht einen etwas kleineren Weg und entwickelt eine Art “Brutschrank” für frisches Gemüse und Kräuter: Ihren Plantcube. Inspiriert vom Vertical Farming bietet das Gerät einen einfachen Zugang zu grünen Lebensmitteln, auch ohne einen eigenen Garten. Wichtig dabei ist die Versorgung der Pflanzen mit ausreichend Licht, Nährboden und Wasser. All dies wird vom Plantcube selbst gesteuert. Wichtig dabei sind auch die Zusatzleistungen von agrilution. Nicht nur, dass sie dem Kunden eine App zur Überwachung des Brutschrankes geben, sie bieten auch die optimalen Pflanzen für das Gerät. Zielgruppe scheint vorerst das Sternerestaurant in der MegaCity, welches das Produkt neben den frischen Kräutern auch aus Imagegründen kauft. Generell zeigt diese Entwicklung aber den Trend zu selbst produzierten Lebensmitteln, die auch in einer Betonwüste jederzeit griffbereit sind.

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen

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