Unternehmenskultur: Grundvertrauen schaffen, um Mitarbeiter zu binden
TEXT: Dr. Michael W. Preikschas
Die Frage, wie man die Arbeitnehmer wieder ins Büro bringen kann, hat viele Unternehmen ratlos gemacht. Seit dem Ende der Covid-bedingten Bewegungseinschränkungen - die viele zum Home-Office zwangen - haben die Unternehmen zahlreiche Methoden ausprobiert, um die Mitarbeiter wieder an ihren Schreibtisch zu bewegen. Die meisten Unternehmen greifen dabei auf den einfachsten Weg zurück: Sie geben es den Mitarbeitern vor. Dies ist nachzulesen in einer Studie von Unispace, einem Unternehmen für Arbeitsplatzgestaltung. Danach geben 72 % der weltweit befragten Arbeitgeber an, dass sie diese Taktik anwenden. Doch während viele Arbeitnehmer zögern, zum täglichen Pendeln zurückzukehren, sollten gerade junge Leute diese Veränderung begrüßen.
Prof. Scott Galloway der New York University vertritt die Meinung, dass gerade für junge Männer die Arbeit im Büro besonders wichtig ist. Dies liegt seiner Meinung nach daran, dass sich der Frontallappen — der Teil des Gehirns, der für exekutive Funktionen wie Planung, Entscheidungsfindung und Selbstkontrolle zuständig ist — bei Männern später entwickelt wird als bei Frauen. Er befürchtet, dass die Unternehmen ohne diese Anleitung und Betreuung am Arbeitsplatz eine Generation von Arbeitnehmern heranziehen werden, denen es an den für den Erfolg notwendigen Schlüsselqualifikationen fehlt. Diese Befürchtung wird von einer Reihe von Unternehmen geäußert. So haben die Dienstleistungsunternehmen Deloitte und PwC vor kurzem Schulungsprogramme eingeführt, um junge Mitarbeiter auf die Arbeit in Teams und mit Kundenkontakt vorzubereiten. Diese Unternehmen sind der Meinung, dass junge Hochschulabsolventen aufgrund der fehlenden Erfahrung mit dem Unternehmensumfeld einige der Soft Skills vermissen lassen, die sie bei neuen Mitarbeitern suchen.
Darüber hinaus ist mit dem Eintritt in eine neue Welt der Hybrid- und Fernarbeit von Unternehmen zu überdenken, wie sie Sichtbarkeit am Arbeitsplatz definieren. Dazu gehört der Aufbau von Vertrauen und die Nutzung von Daten, die mehr Einblick in das Verhalten und die Leistung der Mitarbeiter bieten. Ein wichtiger Faktor für eine Verbundenheit (das sogenannte Engagement) der Mitarbeiter mit dem Unternehmen ist die Anerkennung. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Quantum Workplace zeigt, dass die Anerkennung gegenüber dem Mitarbeiter tendenziell abnimmt. Auf dem Höhepunkt der Pandemie gaben 81 % der Mitarbeiter an, dass sie eine Wertschätzung empfänden, wenn sie zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Dieser Prozentsatz ist jedoch bis Mai 2021 auf 72 % gesunken. Mitarbeiter brauchen das Gefühl der Wertschätzung, um zufrieden und produktiv zu sein. Durch die Schaffung einer Arbeitsplatzkultur — die als Kern die Anerkennung für den Mitarbeiter hat - könnten Unternehmen Top-Talente anziehen und binden.
Das ADP Research Institute hat herausgefunden, dass Arbeitnehmer, die sich mit ihrem Arbeitgeber stark verbunden fühlen, mit 75-mal höherer Wahrscheinlichkeit loyaler sind als diejenigen, die sich nicht verbunden fühlen. Da die Verbundenheit ein weiterer Faktor für das persönliche Einbringen (Engagement) der Mitarbeiter ist, sollten sich die Unternehmen verstärkt auf Programme konzentrieren, bei denen der Mensch im Mittelpunkt steht. Laut einer Gartner-Umfrage gehören zu diesen Initiativen auch Strategien zur Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion.
Zur Schaffung einer Unternehmenskultur zeigen sich weltweit folgende Mikrotrends:
1. Priorisierung des Mitarbeiterengagements
Für die meisten Unternehmen ist die mangelnde Mitarbeiterbindung ein großes Problem. Ab einem bestimmten Zeitpunkt sollte jede Lösung für das Mitarbeiterengagement überdacht und beispielsweise die Schaffung einer mitarbeiterzentrierten Arbeitskultur in Betracht gezogen werden. Als Maßnahmen gelten hier u.a. kontinuierliches Feedback, funktionale Schulungsprogramme, Belohnungs- und Anerkennungsplattformen oder spezielle Leistungen für das Wohlbefinden der Mitarbeiter.
2. Flexible Arbeitszeitmodelle
Viele Unternehmen haben erkannt, dass starre Arbeitszeiten zu Produktivitätsverlust und hoher Burnout-Gefahr führen. Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen können Mitarbeiter ihre eigene Balance aufrechterhalten. Sie können sich Zeit für ihre Familie und Freunde nehmen und viel mehr für ihr Privatleben tun. Schon heute erkennen Unternehmen durch moderne Konzepte eine Senkung in der Fluktuationsrate von Mitarbeitern.
3. Die richtigen Benefits
Jede Unternehmenskultur hat seine eigenen Benefits für die Mitarbeiter hervorgebracht. Doch wie wirksam und sinnvoll diese Leistungen sind, hängt oftmals von der Führungskraft ab. Dies gilt insbesondere beim Führen von Mitarbeitern in der Virtualität. Spätestens mit dem Aufstieg der Millennials am Arbeitsplatz ist die Wahl des richtigen Benefit-Pakets von entscheidender Bedeutung. Das Paket sollte bei der stetigen Entwicklung von Karriere und Privatleben gleichermaßen helfen.
4. Unterstützung einer psychologischen Sicherheit
Der Begriff psychologische Sicherheit wurde erstmals 1999 von Amy Edmondson - einer Professorin der Harvard Business School - geprägt. Dabei ist das Ziel eine leistungsstarke Gemeinschaft zu schaffen, die offen für Ideen ist und Innovation fördert. Transparenz in jeglicher Form und gemeinschaftliches Lernen sind zwei Komponenten im Fokus.
5. Gleichstellung und Achtsamkeit
Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz führt zu einer geringeren Arbeitsmoral und einer hohen Fluktuation. Bei der Gleichstellung geht es nicht immer um die Beseitigung von Vorurteilen, sondern vielmehr, um die Vielfalt am Arbeitsplatz zu verstehen und wertzuschätzen. Wenn im Unternehmen gegenseitiger Respekt herrscht, verbessert dies die Bindung und die Arbeitsmoral der Mitarbeiter.
Folgend einige Beispiele aus dem Trendbarometer Trendone:
Als Zeichen der Wertschätzung hat die Restaurantkette Chick-fil-A in New York City den „Brake Room“ für die Fahrradkuriere, die Essensbestellungen ausliefern, eröffnet. The Brake Room befindet sich auf der Upper East Side und ist Montag bis Samstag von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Kuriere, die über die App eines Drittanbieters eine Lieferung innerhalb der letzten Woche vorweisen können, bekommen kostenlosen Zutritt. Dort haben sie dann Zugang zu Toiletten, Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Lademöglichkeiten für ihre Handys, bequemen Sitzgelegenheiten, WLAN und Getränken.
Das britische Versicherungsunternehmen YuLife bietet Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihren Slack-Status auf „Not feeling 100%“ zu stellen. Der Status richtet sich an Mitarbeitende, die wegen ihrer Periode oder eines belastenden Erlebnisses über weniger physische und psychische Kapazitäten als sonst verfügen, und dennoch arbeiten möchten. Der Slack-Status soll ihnen mehr Raum und Ruhe geben und es einfacher machen, etwa die Kamera bei Videocalls auszuschalten. Laut der Personalführung soll der neue Slack-Status auch dazu beitragen, dass sich die Erwartungen der übrigen Teammitglieder dem Befinden ihrer Kollegen anpassen.
Heineken hat einen smarten Flaschenöffner namens „The Closer“ kreiert, der alle Arbeitsanwendungen auf dem Computer schließt, sobald eine Flasche Heineken geöffnet wird. Hintergrund der Entwicklung ist eine Studie, nach der Arbeitnehmer durchschnittlich 2,5 Stunden mehr arbeiten als vor der Pandemie. Zunächst werden US-Amerikaner die Gelegenheit erhalten, einen der Flaschenöffner zu gewinnen. Heineken hat zudem einen „Calendar Closer“ angekündigt, der Termine nach der regulären Arbeitszeit verhindern und für eine bessere Work-Life-Balance sorgen soll.
Das US-Unternehmen Intuitous hat mit „myRemoteDay“ eine App entwickelt, um Mitarbeiter, die nicht im Büro arbeiten, eine verbesserte Work-Life-Balance zu ermöglichen. Nutzer können mithilfe der App sowohl ihren Arbeitstag besser planen und ihren Status und ihre Verfügbarkeit für andere Mitarbeiter anzeigen als auch ob sie beispielsweise per Handy, E-Mail, Slack, Teams oder Zoom erreichbar sind. Die App erkennt den aktuellen Status automatisch und synchronisiert sich mit anderen Apps. Berufstätige können sich so ihre Arbeitszeit besser einteilen und verhindern, dass sie jederzeit erreichbar sein müssen.
Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.
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