Social Business Design — mit kreativen Geschäftsmodellen zu einer nachhaltigeren Ökonomie

InnovationsRadar
5 min readJul 31, 2022

Text: Dr. Michael Schuricht

Photo by Mert Guller on Unsplash

Weltweit, aber auch in unserer Region, steht die Wirtschaft vor der Herausforderung nachhaltiger, klimaverträglicher und auch sozialer zu werden, denn die (natürlichen) Ressourcen sind begrenzt. Der Umgang damit erfordert sorgfältiges Management und neue Ansätze des Wirtschaftens. Unternehmen, die erfolgreich bleiben möchten, müssen in Zukunft nicht nur in Bezug auf Produkte und Preise, sondern auch hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsleistung gut aufgestellt sein.

Genau hier setzt das Social Business Design an. Interdisziplinär und mit Fokus auf verschiedenste Zielgruppen entwickeln Unternehmen neue Geschäftsmodelle, die wirtschaftlich und nachhaltig sind. Das Konzept eines “Geschäftsmodelles” ist dabei nicht ganz neu. Als gemeinsame Sprache und visuelle Ausdrucksform beschreibt es den Kern einer jeden Unternehmung. In seiner einfachsten Form besteht es aus lediglich drei Elementen:

  • Markt: Potentielle Kunden mit einer konkreten Fragestellung oder einem konkreten Problem
  • Produkt: unternehmerische Lösung für das Kundenproblem in Form von Produkten oder Dienstleistungen
  • Wertschöpfungskonfiguration: Umsetzungsstrategie zur Erstellung von Produkten oder Dienstleistungen mit Bezug zu Ressourcen, Partner, Kosten und Erlösmodellen

Dies ist auch bei nachhaltigen Geschäftsmodellen so der Fall. Im Gegensatz zu seinem klassischen Pendent hat es jedoch nicht nur den Kunden im Fokus. Vielmehr geht es davon aus, dass ein Unternehmen zusätzlich zum Kundennutzen auch soziale Mehrwerte oder einen Umweltnutzen generiert.

Social Business Canvas (eigene Darstellung)

In der Praxis werden Geschäftsmodelle oft als einfache Matrix oder “Canvas” visualisiert. Diese Abbildungen helfen Geschäftsmodelle besser zu verstehen. Gleichzeitig sind Sie oft Grundlage von Workshops zur Geschäftsmodellentwicklung und damit essentieller Bestandteil des Social Business Design.

Das Social Business Canvas lässt sich in zwei Bereiche unterteilen. Auf der linken Seite werden, ganz klassische, Kundenprobleme, unternehmerische Lösungen und damit verbundene Wertschöpfungskonfigurationen thematisiert. Auf der rechten Seite liegt der Fokus auf dem Nachhaltigkeitsaspekt. Dort werden Anspruchsgruppen definiert, nachhaltige Lösungen entwickelt und Ziele sowie angestrebter Nutzen definiert. Für die einzelnen Felder lassen sich folgende Kernfragen/-themen definieren:

  • Kunden (Käufer): Wem bieten wir einen Nutzen an?
  • Klienten (sozial Begünstigte): Wem helfen wir mit unserem Unternehmen?
  • Probleme: Was sind die wichtigste Problem unserer Kunden und Klienten?
  • Lösungsstrategien: Was ist unsere Lösung für die Probleme und was macht unseren Ansatz einzigartig?
  • Erlösmodell: Für welchen Nutzen sind unsere Kunden bereit, Geld auszugeben?
  • Sozialer Nutzen: Wie profitiert die Gesellschaft von der Unternehmung und wie wird Erfolg messbar gemacht?
  • Wertschöpfungspartner: Wie gestalte ich die Wertschöpfungskette in meinem Unternehmen?
  • Umsetzungspartner: Welche Partner benötige ich, um meine Klienten zu erreichen und wie binde ich diese ein?

Mögliche Modelle für Unternehmen in einer nachhaltigeren Ökonomie

In der Analyse nachhaltiger Geschäftsmodelle lassen sich 3 grundlegende Muster identifizieren. Diese unterscheiden sich insbesondere in der Abgrenzung zwischen der wirtschaftlichen Aktivität und dem sozialem Engagement.

Das “Spenden-Modell”

Im “Spenden-Modell” sind wirtschaftliche Aktivität und soziales Engagement klar voneinander getrennt. Das Unternehmen schafft Produkte und Dienstleistungen, die konventionelle Bedürfnisse erfüllen. Das Produkt oder die Dienstleistungen haben dabei keinen direkten sozialen Nutzen und auch die Wertschöpfung verläuft fair, jedoch meist konventionell.

Ein gutes Beispiel für dieses Modell ist Viva Con Agua mit seiner Mineralwasserproduktion. Parallel zur gemeinnützigen Arbeit des Vereins vermarktet die Viva con Agua Wasser GmbH eine Lizenz zur Mineralwasserproduktion. Ganz klassisch werden durch das Mineralwasser durstige Kunden adressiert. Das in Husum und Bissingen durch Wertschöpfungspartner produzierte Mineralwasser wird über Großhändler, Getränkefachmärkte, im Einzelhandel und in der Gastronomie verkauft. So werden auch Erlöse generiert. Sozialer Nutzen entsteht durch Abschöpfung des Gewinn, der dann als Spende an den Verein für soziale Projekte (wie z.B. dem Brunnenbau in Afrika) genutzt werden kann.

Weitere Informationen unter: https://www.vivaconagua.org/mineralwasser/

Das “Fair-Trade-Modell”

Auch im “Fair-Trade-Modell” werden verschiedene Anspruchsgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen parallel adressiert. Das Unternehmen schafft Produkte oder Dienstleistungen die konventionelle Bedürfnisse befriedigen und steht damit im direkten Wettbewerb zu konventionellen Unternehmen. Der Unterschied zum “Spenden-Modell” findet sich in der Wertschöpfungskonfiguration. Unter seinen Wertschöpfungspartner und Mitarbeitern möchte ein “Fair-Trade-Unternehmen” besondere soziale Mehrwerte generieren.

Ein gutes Beispiel für dieses Modell ist das Unternehmen Hess Natur-Textilen. Das in in Butzbach im Wetteraukreis ansässige Unternehmen hat sich auf die Produktion und den Vertrieb von besonders naturbelassenen Kleidung und Textilien spezialisiert. Dabei wird besonderer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. So wird beispielsweise Bio- und Fairtrade-Baumwolle aus Burkina Faso zur Produktion genutzt oder die Daunenproduktion in Deutschland (unter explizitem Ausschluss von Lebendrupf) unterstützt.

Weitere Informationen unter: https://www.hessnatur.com/en-DE/

Das “Sozial-Produkt-Modell”

Im “Sozial-Produkt-Modell” verschmelzen Kunde und Klient. Mit einem Produkt oder einer Dienstleistung werden beide Anspruchsgruppen gleichzeitig adressiert. Mit besonders nachhaltigen Produkten oder Dienstleistungen werden unter marktlichen Bedingungen so gleichzeitig Erlöse und sozialer Nutzen generiert.

Das Unternehmen Verbavoice bietet ein solch soziales Produkt bzw. eine solche soziale Dienstleistung an. VerbaVoice versteht sich als Komplettlösung für sprachliche Barrierefreiheit und Inklusion Hörgeschädigter in allen Lebensbereichen. Durch ein innovatives Online-Dolmetschsystem ermöglicht Verbavoice die ortsunabhängige Unterstützung von Menschen mit Hörbehinderung flexibel und kosteneffizient. Der Dolmetscher wird über das Internet zugeschaltet, übersetzt live und überträgt das Gesagte in Gebärdensprache oder Text. Hörgeschädigte können den Text mitlesen oder über ein Gebärdensprach-Video auf dem Laptop, Smartphone oder Tablet in Echtzeit verfolgen, was gesprochen wird. Das Engagement des Unternehmens Verbavoice geht sogar weit über das “Sozial-Produkt-Modell” hinaus. So haben 25% der Mitarbeiter bei VerbaVoice eine Behinderung und sind 100% inkludiert.

Weitere Informationen unter: https://www.verbavoice.de/

Der Weg zum nachhaltigen Geschäftsmodell

Social Business Design ist kein One-Shot-Event, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Kern des Ansatzes ist es, für ein Problem oder Thema verschiedenste Geschäftsmodelle zu kreieren. Erste durch Kombination und Rekombination, durch geführte und ungeführte Kreativität und durch die unablässige Suche nach innovativen Lösungen entsteht ein tragfähiges, nachhaltiges Geschäftsmodell. Auf dem Weg dahin, sind Ideen und Ansätze immer wieder am Markt zu validieren. Das unten dargestellte Business Validation Board kann dabei eine Hilfe sein.

Business Validation Board (eigene Darstellung)

Ganz im Sinne des agilen Manifestes versteht das Business Validation Board die Geschäftsmodellentwicklung als Lernprozess. Wie in einem naturwissenschaftlichen Experiment werden aus Annahmen im Geschäftsmodell Hypothesen formuliert. Für diese Hypothesen werden dann Tests entwickelt, welche die Theorie frühzeitig mit dem Markt konfrontiert. Jeder Test führt zu einem Lerneffekt. Wird eine Hypothese widerlegt, geht es zurück ans Zeichenbrett und neue Ideen bzw. Varianten des Geschäftsmodells sind gefragt.

Stichworte

#Nachhaltigkeit #Geschäftsmodell #Canvas #Methoden

Hinweis zur Praxisrelevanz

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen