Plattformökonomie: Bekanntes im neuen Gewand

InnovationsRadar
3 min readApr 7, 2019

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TEXT: Dr. Michael W. Preikschas

Die Automobilindustrie kennt sie schon lang: Die Plattformstrategie. Allerdings sind damit keine digitalisierten Internetmarktplätze gemeint, sondern eine genormte Basis zum Aufbau unterschiedlicher Fahrzeuge. Dabei wird eine einheitliche Variante des Chassis so definiert, dass sie mit unterschiedlichen Motoren und modellspezifischen Aufbauteilen bestückt werden kann. Im VW-Konzern nutzen sogar unterschiedliche Marken gemeinsame Plattformen.

Grundsätzlich gibt es zwei Ausprägungen von digitalen Plattformen. Erstens die Handelsplattformen wie Mercateo, Wer-liefert-was, Amazon Business, Alibaba, und zweitens Branchenplattformen wie Tapio für die holzverarbeitende Industrie, über die Unternehmen Produkte und Services wie Logistik oder Finanzierung anbieten und einkaufen können. Generell definieren sich digitale Plattformen über sechs Parameter, deren zentrale Aspekte das Ökosystem und die Art der Plattform sind. Das Ökosystem kennzeichnet dabei die Anbieter der Plattform; handelt es sich beispielsweise um eine IoT-Infrastruktur oder um einen Plattform-Anbieter. Auch könnte es sich um den Anbieter eines physischen Gutes oder den einer Dienstleistung handeln. Diese Unterscheidung führt zur Art der Plattform, die materielle oder immaterielle Güter unterscheidet, oder in offene (für jeden Kunden zugänglich) versus geschlossene (bezogen auf eine Kundengruppe) Plattformen unterschieden wird. Die peripheren Aspekte sind der Kundenwert (Kostennutzen, Innovationsnutzen), Umwelt (gesetzliche Einschränkungen, Wettbewerbs- und Marktverhältnisse), Vernetzte Gegenstände („Things“, Vernetzte Maschinen, Daten-Analyse und Weiterverarbeitung) und das Geschäftsmodell (Ziel-USP, Erlösmodell) (http://ftp.iza.org/report_pdfs/iza_report_86.pdf).

Dem Geschäftsmodell kommt hier nochmal eine ganz besondere Aufmerksamkeit zuteil, da sehr häufig ein bestehendes Business Modell verändert wird. Die sogenannte „Business-Model-Innovation bezeichnet den Gestaltungsprozess zur Hervorbringung eines weitgehend neuen Geschäftsmodells in den Markt, welcher mit einer Anpassung der Value Proposition und/oder der Value Constellation einhergeht und auf die Generierung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils abzielt“ (Wirtz). Dabei ist nicht nur die Anpassung des Geschäftsmodells auf der Vertriebsseite denkbar. Als Beispiele können dazu auf der Einkaufsseite die (one-to-many) „Buy-Side-E-Marketplace“ von General Motors oder Siemens genannt werden. Dabei baut das beschaffende Unternehmen einen E-Marketplace auf und lädt verschiedene Lieferanten ein, das Online-Angebot an Bestellungen zu analysieren und Aufträge entgegenzunehmen. Verschlankungen im Supply Chain Management und damit einhergehende Kosteneinsparungen sind das Resultat.

Eine Herausforderung der Unternehmen bezüglich solcher Innovationen liegt auch in der Unternehmenskultur. Die eigenen Ingenieursleistungen werden weniger wichtig, dagegen steigen die Bedeutungen von Kooperationen. Hier finden sich dann doch wieder die Parallelen zur Automobilindustrie: Wer Autos baut, braucht nicht unbedingt auch Tankstellen betreiben oder Straßen asphaltieren. Auch in der Plattformökonomie ergibt sich der Mehrwert für den Kunden aus einem Strauß an Leistungen, die von Partnern erbracht werden.

Für diese Partnerschaftliche Leistung ist beispielsweise Mindsphere eine Plattform, die neue Geschäftsmodelle möglich macht. Durch das Vergleichen von Daten, hat z.B. das Unternehmen Kaeser (www.kaeser.de) gelernt die Ausfälle von ihren Kompressoren vorherzusagen. Das Unternehmen kann die Wartung der Druckluftkompressoren in einer Klinik auf das Wochenende planen, wenn weniger Operationen stattfinden. So hat Kaeser ein neues und innovatives Geschäftsmodell entwickelt. Statt Kompressoren verkauft Kaeser seinen Kunden heute das Produkt Luft.

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

#Plattformökonomie #Business Model Innovation #Industrie 4.0 #Internet of Things

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen

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