New Work — Mit Jobsharing, Homeoffice und Zeitsouveränität zur neuen Arbeitswelt

InnovationsRadar
6 min readAug 3, 2020

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Text: Dr. Michael Schuricht

Photo by Zachary Nelson on Unsplash

Die Arbeitswelt befindet sich mitten in der digitalen Transformation. Unter dem Schlagwort New Work versuchen immer mehr Unternehmen mit neuen, agilen Methoden und Technologien flexibel auf veränderte Kundenanforderungen, Trends und sogar Krisen zu reagieren. Dabei wird Arbeit oft neu gedacht. Starre Hierarchien werden aufgebrochen, Prozesse neu organisiert. Richtig umgesetzt, gibt New Work Mitarbeitern Raum für mehr Selbstständigkeit, Teilhabe und Individualität.

Der Trend

Der Begriff geht auf den österreichisch-amerikanischer Philosoph Frithjof Bergmann zurück, der bereits in den 80er Jahren “New Work” als Gegenentwurf zum Lohnarbeitssystem beschreibt. Laut Bergmann bestand der Zweck der Arbeit, seit der industriellen Revolution, darin eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. In diesem System war der Mensch, ein Werkzeug — das Mittel zum Zweck.

New Work dreht dieses Verhältnis nun um. Die neue Arbeit soll nun das Mittel sein, mit dem sich der Mensch als freies Individuum verwirklichen kann. Bergmann betont damit die sinnstiftende Funktion der Arbeit, setz sich aber gleichzeitig für Werte wie “Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft ein.

Vom neuen Führungsmodell zum digitalen Arbeitsplatz — heute beschreibt New Work ein breites Themenfeld, in dem aber immer wieder Gedanken des ursprünglichen Konzeptes von Bergmann wiederzufinden sind. Im Kern lässt sich New Work in folgende drei Bereiche unterteilen:

  • Neue Formen der Führung und Zusammenarbeit
  • Neue Arbeitsplatz- und Mobilitätskonzepte
  • Digitale Arbeitswerkzeuge und Internes Social Media

Diese große Bandbreite macht New Work sehr spannend, denn sie lässt viel Raum für individuelle Konzepte und eigene Ideen.

Quelle: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/New-Work-Jeder-Zweite-will-Vertrauensarbeitszeit-und-Recht-auf-Homeoffice

Wie eine Studie der Bitkom zeigt, stehen neun von zehn (92 Prozent) Berufstätigen den New-Work-Konzepten sehr oder eher aufgeschlossen gegenüber — nur 6 Prozent lehnen diese ab. Die allermeisten Berufstätigen möchten einer sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen und stellen an ihren Arbeitgeber hohe moralische Ansprüche, etwa was die soziale Verantwortung angeht. Eng damit verbunden ist die Digitalisierung der Arbeitswelt: Schon neun von zehn Berufstätigen (91 Prozent) messen digitalen Technologien eine große Bedeutung für ihr Arbeitsleben bei (2017: 80 Prozent). Die Mehrheit (55 Prozent) rechnet damit, dass sich ihr Arbeitsplatz bis 2030 durch neue Technologien verändern wird — Sorge vor einem Job-Verlust haben aber nur die wenigsten (8 Prozent). Insgesamt sehen zwei Drittel (66 Prozent) in der Digitalisierung eine Chance für ihre berufliche Situation.

Bereiche und Beispiele

New Work ist ein sehr breit angelegtes Konzept, welche auf jedes Unternehmen und jeden Beschäftigten individuell angepasst werden kann. Im Folgenden werden beispielhafte einige wichtige Bereiche und Beispiele benannt.

Neue Formen der Führung und Zusammenarbeit

New Work verändert das klassische Managementmodell. Mitarbeiter werden bereits während der Strategieentwicklung mit eingebunden. Im Dialog werden Ziele festgelegt und Projekte definiert. Klassische Hierarchien fallen weg, sodass eine moderne und demokratische Führungskultur zwischen Führungs- und Fachkräften entsteht.

Beispiel: OKR

OKR ist ein Beispiel dieser neuen Führungsidee. Die ursprünglich von Intel entwickelte und durch Google bekannt gewordene Management-Methode gilt als neue Wunderwaffe moderner Führungskultur. Sie bietet ein flexibles Rahmenwerk, welches Ziele (Objectives) aus dem Leitbild des Unternehmens ableitet, bis auf Mitarbeiterebene herunterbricht und als Kennzahl (Key Result) messbar macht. Anders als bei vielen klassischen Managementmodellen, gibt die Unternehmensleitung die Ziele nicht vor. Vielmehr erarbeiten Mitarbeiter und Führungskräfte die Ziele gemeinsam im Dialog.

Arbeitsprozesse verlaufen nicht mehr starr, in vorgezeichneten Bahnen, mit langem Planungshorizont. Die neue Arbeitswelt setzt auf Agilität. Orientiert an den Unternehmenswerten, wird Arbeit in kleine Schritte und kurze Phasen aufgeteilt. Jede Phase ist dabei ein selbstlernender Prozess in sich. Zu Beginn gesetzte Ziele werden messbar gemacht und immer wieder hinterfragt. Am Ende steht immer ein Erkenntnisgewinn, der dann in neue Ideen, Prozesse und Arbeitsschritte einfließen kann.

Beispiel: Scrum

Die IT-Branche ist ein Vorreiter im neuen Projekt- und Prozessmanagement. Schon lange Zeit werden dort agile Methoden in der Projektarbeit genutzt. SCRUM ist eines von zahlreichen Beispielen aus diesem Bereich. Ursprünglich als Regelwerk für die Zusammenarbeit in der Softwareentwicklung konzipiert, wird SCRUM inzwischen in vielen Branchen und Unternehmensbereichen eingesetzt. Es definiert Rollen der Mitarbeiter, Artefakte (Planungs- und Arbeitsergebnisse) und Ereignisse (Events) sowie deren Zusammenspiel in einem Projekt. Die Projektentwicklung erfolgt bei SCRUM iterativ in Feedback-Schleifen von wenigen Wochen, den sogenannten Sprints. Bei jedem Sprint soll eine Fortschritt im Projekt entstehen, das Inkrement — auch wenn dieser nur klein oder von geringem Umfang ist. Dieser iterativ-inkrementelle Ansatz erlaubt es dem Projektteam, auf Änderungen oder Probleme zu reagieren und Feedback von Stakeholdern frühzeitig mit einzubeziehen.

Arbeitsplatz- und Mobilitätskonzepte

In der neuen Arbeitswelt ist Dauer der Arbeit nicht mehr fest fixiert. Flexibel passt sich die Arbeitszeit an die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiter, aber auch an Schwankungen in der Kapazitätsauslastung des Unternehmens an. Teilzeit, Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit sind damit feste Bestandteile jeder New Work-Konzeption. Gemeinsam mit neuen Modellen, wie dem Jobsharing, verbessern sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder erhöhen, gepaart mit Job-Rotation, die Arbeitsplatzattraktivität.

Beispiel: Jobsharing

Jobsharing ist ein flexibles Arbeitszeitmodell, bei dem sich mindestens zwei Arbeitnehmer mindestens eine Vollzeitstelle teilen. Sie arbeiten dabei als Team (Tandem) eng zusammen und legen ihre Arbeitszeiten und Aufgaben individuell untereinander fest. Anders als bei vielen konventionellen Teilzeitmodellen lassen sich so auch anspruchsvolle Aufgaben realisieren. Der Arbeitgeber kann mit vollen Stellen planen, was beispielsweise in Pflegeberufen besonders wichtig ist. Für den Arbeitnehmer entsteht im Jobsharing eine noch höhere Flexibilität, denn die Wochenarbeitszeit ist für den einzelnen Tandempartner keineswegs fixiert. Sie wird immer flexibel und individuell nach den aktuellen Bedürfnissen im Jobtandem festgelegt.

Genau wir die Arbeitszeit, wird auch der Arbeitsort in der neuen Arbeitswelt flexibel und bedarfsorientiert gewählt. Neben dem klassischen Homeoffice gibt es inzwischen viele andere zeit- und ortsflexible Arbeitsformen. So wechseln Mitarbeiter zwischen verschiedenen Unternehmensstandorten, arbeiten in der Bahn und von Unterwegs, sind beim Kunden vor Ort oder mieten sich temporär in Coworking Spaces ein.

Beispiel: Flexibles Bürokonzept

Durch die flexible Wahl des Arbeitsortes entsteht auch der Bedarf für neue Bürokonzepte. Der klassische Schreibtisch wird darin die Ausnahme, nicht mehr die Regel, sein. Moderne Büros bieten unterschiedliche Raumkonzepte an. Für Recherchen oder Textarbeit gibt es einen Stillarbeitsbereich, für Sprints oder Meetings gibt es einen Teambereich und für den Austausch werden vielfältige Sozialräume bereitgestellt. In modernen, kreativen Work-Spaces arbeiten Kreative gemeinsam mit kleinere Startups oder digitale Nomaden zusammen und können auf diese Weise voneinander profitieren. Sie agieren unabhängig voneinander und in unterschiedlichen Unternehmen, können aber auch gemeinsam Projekte verwirklichen und auf diese Weise neue Mitstreiter akquirieren.

Digitale Arbeitswerkzeuge, Internes Social Media und KI

Flexible Arbeitsweisen und offene Raumkonzepte benötigen eine Reihe von Tools, damit die Abstimmung und Zusammenarbeit auch über die Distanz reibungslos funktioniert. Der Austausch von Desktop-PCs gegen Notebooks ist ein erster Schritt, jedoch bedarf es auch entsprechender Systeme, die den Informationsaustausch fördern, Mitarbeitern den externen Zugriff auf die unternehmensinternen Daten und Kommunikationswege ermöglichen oder helfen auch bei komplexeren Projekten nicht den Überblick zu verlieren.

Beispiel: Interne Messanger Dienste

In der internen Kommunikation reichen E-Mails oft nicht mehr aus. Verteilte Teams benötigen Möglichkeiten schnell und effizient miteinander zu kommunizieren. Gleichzeitig müssen Informationen einfach auffindbar und für alle Beteiligten zugänglich sein. Dabei helfen Messanger Dienster, wie Slack. Über eine intuitive Oberfläche lassen sich Chats mit einzelnen Kollegen oder ganzen Teams initiieren. TAGs und Kanäle helfen dabei Inhalte zu strukturieren. Durch einen einfachen Dateiupload und die Anbindung anderer Diensten (wie z.B. CRM-Systemen) bündelt Slack alle Informationen an einem Ort.

Digitale Arbeitswerkzeuge sind jedoch nur ein erster Schritt in der neuen Arbeitswelt. In den nächsten Jahren werden wir sehen, wie künstliche Intelligenz Prozesse automatisiert. Wir werden erleben, wie physisch anstrengende Arbeit durch Robotik unterstützt oder sogar übernommen wird. Und wir werden auch sehen, wie ein Chatbot einfache Kommunikationsaufgaben oder die Erstansprache von Kunden übernimmt.

Beispiel: Robotic Process Automation

Robotic Process Automation, auch bekannt als RPA, ist eine effiziente, jedoch oft übersehene Möglichkeit zur Digitalisierung von Unternehmen. Einfach definiert, ist RPA die Automatisierung von Geschäftsprozessen mit Hilfe von Software-Robotern (sog. BOTs). Diese einfach zu konfigurierenden Programme können grundlegende Aufgaben anwendungsübergreifend erledigen. Sie erhöhen damit die Effizienz, gleichzeitig nehmen sie den menschlichen Mitarbeitern viele, immer wiederkehrende Routineaufgaben ab. Den Software-Robotern kann ein Workflow mit mehreren Schritten und Anwendungen beigebracht werden. U.a. können sie Empfangsbestätigungen versenden, Formulare auswerten und in Datenbanken übertragen, einfache Korrespondenz mit Kunden oder Lieferanten übernehmen, Rechnungsdaten in die Buchhaltung übertragen oder die Einhaltung von Compliance-Regeln dokumentieren.

Stichworte

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Hinweis zur Praxisrelevanz

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen

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