Legal Tech: Der juristische Beistand aus dem Home-Office

InnovationsRadar
3 min readApr 12, 2020

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TEXT: Dr. Michael W. Preikschas

Das Home-Office, ein Arbeiten ohne direkten Kundenkontakt, ist in aller Munde. Auch Berufe, die bisher nicht mit den Möglichkeiten der Fernarbeit in Kontakt gebracht wurden, sind davon betroffen: Rechtsbeistände. Dabei entwickeln die sogenannten LegalTechs einen Wettbewerb für die Anwaltszunft, schaffen neue Märkte und sichern ihren Kunden die Durchsetzung bei Ansprüchen — auch in kleineren Fällen. Das Prinzip ist einfach: Wer ein juristisches Problem hat — und sei es auch so klein, dass ein Gang zum Anwalt sich kaum rechnet — lädt auf der Internetseite des Anbieters Dokumente hoch und bekommt im positiven Fall danach sein Geld überwiesen. Ein Teil der monetären Ansprüche verbleibt als Honorar beim LegalTech. Diese (zumeist) Start-Ups sind Unternehmen, die für den Kunden juristische Ansprüche durchsetzen. Es sind keine Anwaltskanzleien im herkömmlichen Sinne.

Möglich machen dies auch die steigenden Rechte der Verbraucher. Der Kunde hat neue gesetzliche Ansprüche gegen zu hohe Mieten, ausgefallene Flüge oder manipulierte Dieselsoftware. Junge Digitalunternehmen haben sich diesen Ansprüchen angenommen. Dabei schaffen die Start-Ups zwei Hürden aus dem Weg. Erstens das rationale Desinteresse von Verbrauchern an Zivilklagen, da ein Abwägen zwischen Ertrag und Aufwand nun positiv für den Verbraucher ausfällt. Möglich macht dies das Ausnutzen von Skaleneffekten, denn diese Unternehmen vertreten oftmals viele ähnliche Fälle gleichzeitig. Zudem sind die LegalTechs nicht an die Honorartabellen der Anwälte gebunden. Zweitens werden durch die Algorithmisierung von Klagevorgängen die Verjährungen unwahrscheinlich, denn die Prozesse laufen nun automatisch ab. Ärgerlich für bestimmte Unternehmen oder Behörden, die gerade die Verjährung von Ansprüchen der Verbrauchen als Teil ihres Geschäftsmodells betrachten.

LegalTechs finden sich vor allem im Mietrecht. Mietpreisbremse und Mietendeckel sind hier die Geschäftsgrundlage. Die Start-Ups Weniger-miete (www.wenigermiete.de) oder Miethelden setzen im Auftrag des Mieters Mietminderungen durch. Des Weiteren gibt es Unternehmen wie Mineko (www.mineko.de) und RightNow (rightnow.de), die systematisch Betriebskostenabrechnungen auf Fehler durchforsten, um zu viel gezahltes Geld zurück zu bekommen. Außerdem gibt es mehrere Firmen, die sich auf den Bereich der Urheberrechtsverletzungen spezialisiert haben. Beispielsweise die US-Plattform Pixsy (www.pixsy.com), die raubkopierte Bilder ausfindig macht und dann die Verwender auf Entschädigung verklagt.

In keinem anderen Feld sind deutsche LegalTechs so aktiv wie im Reiserecht. Etwa ein Dutzend unterschiedliche Portale wie Flightright (www.flightright.de), Geld-für-Flug (www.geld-fuer-flug.de), EUClaim (www.euclaim.de) oder AirHelp (www.airhelp.com) kümmern sich um die Erstattung von Ansprüchen an Fluggesellschaften. Ihre Geschäftsgrundlage ist die EU-Reiserechtsverordnung (www.europa.eu), die bei Flugverspätungen Entschädigungszahlungen von bis zu 600 € vorsieht. Von diesem Geld behalten die Portale im Erfolgsfall zwischen 20 und 40 Prozent als Provision. Gerade Flugverspätungen lassen sich sehr leicht automatisiert abarbeiten, die Ansprüche setzten die Anbieter mit standardisierten Mahn- und Klageverfahren durch. In der Reisebranche werden teilweise auch Erstattungen von Pauschalreiseanbietern oder der Bahn erstritten. Hier gibt es allerdings keinen Schadenersatz.

Streitigkeiten um Unfälle und Regelverstöße lassen sich kaum vollständig von Software lösen. Allerdings können diese größtenteils digital abgearbeitet werden. Entsprechend setzen LegalTech-Portale wie Unfallhelden (www.unfallhelden.de), Bikerright (bikeright.de) oder Geblitzt.de (www.geblitzt.de) auf eine Kombination von innovativer Software und der Arbeit von menschlichen Anwälten. Ihr Angebot richtet sich vor allem an Unfallopfer, weil die finanziellen Ansprüche gegenüber Unfallverursachern geltend machen können. Aus diesen Ansprüchen finanzieren sie Dienste, die über eine juristische Vertretung hinausgehen, beispielsweise die Vermittlung von Werkstätten. Die Start-Ups selbst treten in Streitigkeiten um Strafzettel oder Fahrradunfälle mitunter als Prozessfinanzierer auf.

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen

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