E-Commerce: Künstliche Intelligenz gegen den Retourenwahnsinn

InnovationsRadar
3 min readNov 17, 2019

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TEXT: Dr. Michael W. Preikschas

Was verabscheuen Kunden bei der Nutzung von Online Shops? Dieser Frage ging das Münchner Beratungsunternehmen Arithnea nach und befragte Kunden über E-Commerce Plattformen des Handels (https://lp.arithnea.de/studie-customer-experience-online-shopping-2019). Ein Drittel der befragten Nutzer gab eine umständliche Rückgabe als wichtigsten Hinderungsgrund zur Verwendung eines Online-Shops an. Die Händler nehmen diese Problematik auf und reagieren mit einer überaus simplen Retouren-Logik. Mit unübersehbaren Folgen für die Umwelt und das Leben. Kartonberge stapeln sich in Verteilungszentren (286 Millionen Retouren pro Jahr), Zustellerfahrzeuge verstopfen die Straßen (143.000 Tonnen an Kohlendioxidausstoß als Folge) und Retouren vergrößern die Müllberge.

Laut einer Studie des Forschungsinstitutes EHI (https://www.ehi-shop.de/image/data/PDF_Leseproben/EHI-Studie_Versand-Retourenmanagement_im_E-Commerce_2018_LP.pdf) liegt die Retourenquote konstant bei durchschnittlich 20 Prozent. Ob ein Onlinehandel profitable ist, hängt also nicht nur davon ab, was er verkauft, sondern auch davon wie er mit diesem Teil des Geschäfts umgeht. Für die Händler bedeutet jede Rücksendung erst einmal Arbeit. Etwa 70 Prozent der Retouren können laut der Studie wieder als A-Ware verkauft werden. Der Rest geht entweder in die Zweitvermarktung, etwa über Online-Outlets, oder wird an Mitarbeiter verschenkt. Ein eher kleiner Teil wird gespendet — auch da die Händler auf Spenden Umsatzsteuer entrichten müssen. Manchmal ist die Ware kaum mehr Wert als der Transport kostet. 30 Prozent der Händler überlassen Ihren Kunden deshalb die Ware kostenlos, ein sehr geringer Anteil wird geschreddert oder verbrannt. Das ist nicht nachhaltig aber oftmals die günstigste Variante. Zuträglich ist dem Retourenwahnsinn auch ein langes Umtauschrecht. Obwohl gesetzlich in Deutschland nur zwei Wochen vorgeschrieben sind, gewinnen bestimmte Unternehmen auch aus der Verlängerung dieser Frist ihren Erfolg. Beispielsweise gewährt Amazon eine 30 Tage Rückgabefrist, Zalando gar 100 Tage.

Betrachtet man konkrete Beispiele wird die Auswirkung daraus sichtbar. Im Hamburger Retouren-Zentrum der Otto-Group liefert Hermes täglich 40 bis 60 Container an. Dies entspricht 140.000 Artikeln, die von Mitarbeitern bearbeitet werden müssen. Arbeiter packen die Retouren aus, prüfen sie auf Schäden, sortieren sie und verpacken sie schließlich wieder. So versucht der Online-Handel einen Nachteil zum stationären Handel auszugleichen, denn wer im Laden mehrere Teile mit in die Garderobe nimmt, bezahlt auch nur die Stücke, die nach dem Anprobieren behalten werden.

Die Auswirkungen enormen Retourenaufkommens zu verringern, ist dementsprechend für viele Parteien das Ziel. Das Münchener Start-up Presize (www.presize.ai) setzt auf eine App, die (ohne eine stationäre Einrichtung) einen Körperscan umsetzt. Die Körpermaße digital zu erfassen, scheint auf den ersten Blick logisch, da Kleidergrößen je nach Designer bzw. Produktionsland variieren. Allerdings ist die Durchführung schwierig, denn ohne eine zweite Person kann auch die Applikation von Presize die Daten nicht erfassen. Langsam muß das Smartphone um den Probanten herumgeführt werden. Nur so können sämtliche Information zur Berechnung einer Aussage zur Passgenauigkeit der Bekleidung getroffen werden. Für T-Shirt und Jeans, die heute eng getragen werden, ist eine Aussage denkbar — nur was ist mit einer Skijacke?

Das Hannoveraner Unternehmen Dresslife (www.dresslife.com) ist dagegen der Meinung, dass ein Scan der Körperdaten nicht erforderlich ist, um die Minimierung von nicht passender Kleidung aus Onlinebestellungen zu erreichen. Die Software fragt den Kunden vielmehr nach bestimmten Daten wie Gewicht, Körpergröße und Modegeschmack und bezieht Passformbewertungen aller Kunden mit ein. Eine künstliche Intelligenz ermittelt daraus, was passen und gefallen könnte, und präsentiert eine vorsortierte Kollektion mit perfekter Paßform.

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen

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