Dezentrale Finanzdienstleistungen

InnovationsRadar
3 min readDec 10, 2021

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TEXT: Dr. Michael W. Preikschas

Die Herausforderung bei der Vermarktung von Dienstleistung ist die Tatsache, dass diese Produkte nicht materiell sind. Der Kunde kann sie nicht anfassen, schmecken oder riechen. Als einzige Indikation bezüglich der Qualität bleibt oftmals der Preis. Gerade im Sektor der Finanzdienstleistungen führte dies zum Boom der Direktbanken und schlussfolgernd daraus, zu einer Bereinigung des Marktes.

Über die letzten zwei Jahre haben sich viele Finanzdienstleistungen darüber hinaus verändert. Sie funktionieren heute als eine Anwendung oder Protokoll in der Ethereum Blockchain, einer Open-Source-Blockchain, die Datensätze speichert und überprüft. Die Ausführung der Leistung erfolgt dabei über sogenannte „smart contracts“. Dies sind kleine Computer-Programme, welche auf der Blockchain gespeichert sind und für die Transaktionen ohne zusätzliche Mittelspersonen sorgen. Beispielsweise können innerhalb eines Crowd-Funding Prozesses die monetären Mittel direkt an die Zielfirma weitergeleitet werden. Es gibt niemanden dazwischen, der das Geld erst sammelt und dafür Provision verlangt — wie etwa einem Anwalt, Notar oder einer Behörde. Kommt es darüber hinaus nicht zur Erreichung der Zielsumme, dann sendet der „smart contract“ das gesammelte Geld an die Investoren zurück. Daraus folgt ein überschaubares materielles Risiko.

Die Software erfüllt damit ihr vorher definiertes Ziel — eine bestimmte Transaktion durchzuführen. Die smarte Leistung wird automatisch und vertrauenswürdig erfüllt, sobald ein vordefiniertes Ereignis eintritt: zum Beispiel im Todesfall wird eine Erbschaft ausgezahlt, bei Lieferung ein Paket bezahlt oder ein neuer Führerschein nach Abgabe aller benötigten Dokumente ausgestellt. Die Ergebnisse sind sehr schnell zu realisieren, vertrauenswürdig und kostenlos. Zusammenfassend werden diese Dienstleistungen als „DeFi“ (Dezentrale Finanzdienstleistungen) bezeichnet. Ihr äquivalenter Wert steigt seit Jahren. In 2020 hatten vergleichbare Dienstleistungen einen Wert von 10 Milliarden Dollar ausgemacht, im zweiten Quartal 2021 wurden 2,5 Billionen Dollar aus Transaktionen für Zahlungsverkehr, Handel und Kreditwesen berechnet.

Die Problematik an dieser innovativen Dienstleistung ist die fehlende Ökonomie. Denn tatsächlich ist dies bisher eine „virtuelle Blase“, die vorzugsweise durch Spekulanten beeinflusst wird. Individuen oder Unternehmen, welche durch Blockchain Maßnahmen ihre eigenen Anlage-Wetten in diesem Bereich pushen möchten. Das könnte sich aber bereits im kommenden Jahr 2022 entscheidend ändern. Drei mögliche Entwicklungswege scheinen in diesem Kontext plausible:

1) Es könnte ein „echtes“ Finanzsystem in seiner Existenz verdrängen und beispielsweise als Zahlungsmittel dienen. Gerade in Ländern mit einem hohen Wertverlust der eigenen Währung scheint dies denkbar. El Salvator ist im September 2021 diesen Schritt gegangen. Für stabile Volkswirtschaften scheint dies vorerst wenig wahrscheinlich.

2) Dezentrale Finanzdienstleistungen könnten sich mit traditionellen Dienstleistungen in der Finanzbranche mischen. Vermögenswerte, die bisher durch das bekannte Finanzsystem betreut werden — beispielsweise Immobilien, Aktien, Wertpapiere — könnten in Zukunft in der Blockchain landen. Durchaus effiziente Einzelbeispiele gibt es dazu bereits. Allerdings ließen die Anwendungen auch viele Nutzen vermissen: Die Interfunktionalität oder die gesteigerte Transparenz der Leistungen wurde bisher nicht erreicht. Durchaus wahrscheinlich ist eine Weiterentwicklung in diesem Feld. Diese könnten dann auch spezifischen Nutzen für den Verwender generieren.

3) Eine sich entfaltende „echte“ Ökonomie auf Basis der Blockchain scheint denkbar. Es gibt Geschäftsmodelle zur Entwicklung von Filmen, Musik oder Bilder, die schon heute komplett digital sind. Daraus leiten sich dann wieder digitale Dienstleistungsmodelle ab, die vollständig virtuell sind. Ein Anbieter wie Netflix — bisher wird die Leistung von zentralen Technologie Plattformen gesteuert — könnte eine dezentrale Blockchain Logik zur Verbreitung seiner Filme anstreben.

Innovatoren erreichen mehr Umsatz und Gewinn, neue Kunden und Märkte. Trends früh erkennen, daraus Bedürfnisse richtig und rechtzeitig ableiten, neue Lösungen zum Erfolg entwickeln — das ist ihr Geschäft. Sie arbeiten intern im Netzwerk und extern mit Partnern. Marketing und Vertrieb sind früh eingebunden. Innovationen beginnen mit Ideen und gelingen durch strukturiertes Management.

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Beiträge von Dr. Michael W. Preikschas & Dr. Michael Schuricht zu Trends und innovativen Geschäftsideen